Bergbau und Widerstand in Zentralamerika: Ein Erfolg, doch kein Grund zur Entwarnung



Poonal Nr. 968
Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes lateinamerikanischer
Agenturen vom 17. Oktober bis 23. Oktober 2011

MEXIKO-ZENTRALAMERIKA

Bergbau und Widerstand in Zentralamerika: Ein Erfolg, doch kein Grund zur Entwarnung

Von Markus Plate

(San José, 21. Oktober 2011, voces nuestras).- Vor knapp einem Jahr stoppte das Oberste Verwaltungsgericht in Costa Rica die Pläne für einen offenen Goldtagebau im Norden des Landes. Der Druck der Bergbaukonzerne auf die Region, auf Zentralamerika und Mexiko, hat indes keineswegs nachgelassen.

Am 24. November 2010 hatte Costa Ricas Anti-Bergbau-Bewegung einen seltenen Grund zum Jubeln. An diesem Tag annullierte das Oberste Verwaltungsgericht des zentralamerikanischen Landes die Konzession der kanadischen Firma Infinito Gold für ein Bergbauprojekt in Las Crucitas, im Norden des Landes. Damit scheiterten die zu diesem Zeitpunkt fast 20 Jahre andauernden Bemühungen des Unternehmens, in der ökologisch wertvollen Region Gold im offenen Tagebau zu schürfen, am Widerstand der lokalen Gemeinden, von Umweltorganisationen und weiteren Gruppen. Das Gericht sorgte sich angesichts der bereits bei der Erschließung des Gebietes angerichteten Schäden um die reichhaltige Biodiversität und um die großen Grundwasserspeicher der Region.

Im Rest Zentralamerikas und in Mexiko machen transnationale Bergbauunternehmen blühende Geschäfte – und verursachen in der Regel verheerende Umweltschäden. Die Praxis der Goldbergbauunternehmen, Gold im offenen Tagebau aus den Bergen zu waschen, bedroht nicht nur in Costa Rica ganze Landstriche. Zum Auslaugen von Gold und Silber aus ihren Erzen werden Cyanidsalze verwendet, die in der Praxis meist ungehindert in Oberflächengewässer gelangen. Umweltorganisationen erklären, dass sich die Schwermetalle in Flüssen und Seen ablagern, Böden und Grundwasser verseuchen und somit erhebliche Gesundheitsgefahren für die örtliche Bevölkerung darstellen. Die Bergbaulobby ist stark, die Gesetzgebung oft löchrig, die Genehmigungsbehörden korrupt, die Regierungen – gelinde gesagt – ohne erkennbare Distanz zu starken Lobbygruppen, während der Widerstand gegen Bergbauprojekte, wie in Honduras und Panama, von Medien, Politik und Unternehmen satanisiert oder unterdrückt wird
.

Anämie und Lungenkrebs

In Honduras haben sich die Gewichte dabei seit dem Putsch von 2009 noch einmal deutlich zu Gunsten der Transnationalen und zu Ungunsten der betroffenen Gemeinden verschoben. Dabei sind schon bei bestehenden Goldminen erhebliche Umweltauswirkungen aufgetreten. Nelson Paz vom Komitee zur Verteidigung der natürlichen Ressourcen berichtet von den Schäden, die die Berbauaktivitäten in den Departaments Santa Barbara und Copán im Westen Honduras hinterlassen: „Hier in San Andrés leiden die Menschen unter anderem an Hautausschlag und psychischen Erkrankungen. Der Fluss, an dem San Andres liegt, ist vollständig kontaminiert. Das Dorf ist durch den Bergbau quasi verwüstet.“

Zu den Gesundheitsschäden, die in Gemeinden in der Nähe von Goldminen unter freiem Himmel beobachtet wurden, zählen Anämie, Knochenschwund, Lungenkrebs, Hauterkrankungen, Atemlähmung, Seh- und Gedächtnisstörungen, sowie Niereninsuffizienz. Hinzu kommen Auswirkungen auf die Umwelt, das soziale Gefüge und die Landwirtschaft der Region, beschreibt Dr. Gian Carlo Delgado, der an der Nationalen Universität Mexikos (UNAM) zum Thema forscht: „Hier wird im großindustriellen Maßstab Gestein bewegt, das Gold wird unter gewaltigem Einsatz von hochgiftigen Schwermetallen und unter Einsatz von riesigen Mengen von Wasser aus dem Gestein herausgewaschen. Das passiert oft an Orten, die ohnehin unter Wassermangel leiden. Daraus folgt logischerweise ein Konflikt um knapper werdendes Wasser zwischen den Bergbauunternehmen und den Gemeinden. Das Wasser, das den Gemeinden bleibt, ist zudem noch verseucht, da die schwermetallhaltigen Extraktionsmittel in Gewässer, in das Grundwasser
und in die Böden gelangen. Diese vergifteten Böden sind unbrauchbar für Landwirtschaft und Viehhaltung, die Gemeinden verlieren ihre Lebensgrundlage und was droht, sind Geisterstädte.“

Auch unter dem Eindruck der Erfahrungen in Honduras haben soziale Bewegungen, Gemeinden und Umweltorganisationen im benachbarten El Salvador jahrelang gegen den Tagebau gekämpft. Doch dieser Kampf wird inzwischen durch Freihandelsverträge erschwert: Das CAFTA-Abkommen zwischen den USA und Zentralamerika räumt internationalen Konzernen umfangreiche Rechte und Garantien ein, die Kontrollmöglichkeiten der Staaten sind hingegen, selbst wenn sie diese ausüben wollten, beschnitten: Als die inzwischen abgewählte ARENA-Regierung unter dem Druck der sozialen Bewegungen im Jahr 2006 zwei Bergbauunternehmen die Lizenzen entzog, verklagten die Unternehmen Pacific Rim und Commerce Group den salvadoranischen Staat auf insgesamt hundert Millionen US-Dollar Entschädigung. Auch wenn das bei der Weltbank angesiedelte Schiedsgericht für Streitfälle innerhalb des CAFTA-Abkommens die Klage im März dieses Jahres zurückwies; der Fall zeigt, welch enormes Drohpotenzial die Konzerne gegen�
�ber den Staaten aufbauen können.

Guatemaltekische Regierung ignoriert Gemeinden

In Guatemala macht vor allem die Marlin Mine des kanadischen Unternehmens Glamis Gold seit Jahren Schlagzeilen. Auch hier wird Gold im offenen Tagebau gefördert, gegen den anhaltenden Protest lokaler Gemeinden und guatemaltekischer wie internationaler Umweltorganisationen. Doch neben der Marlin Mine gibt es insgesamt 450 Lizenzen im Land, begünstigt durch ein Bergbaugesetz, das laut Oscar Conde von der Umweltorganisation Madreselva von der internationalen Bergbaulobby nach Ende der Militärdiktatur weitgehend selbst verfasst wurde. Mit Folgen: Nur ein Prozent der Gewinne aus dem Bergbau bleibe im Land, der Rest strichen sich die Konzerne ein, schimpfen die Bergbaugegner. Die Gemeinden blieben hingegen auf den ökologischen und Gesundheitskosten sitzen.

Dass sich die betroffenen Gemeinden dagegen zur Wehr setzen, ist mehr als verständlich. In Guatemala haben nach Angaben von Campesina- und Indígena-Organisationen 59 Gemeinden in Abstimmungen gegen Wasserkraft-, Erdöl- und Bergbauprojekte in ihrer Umgebung votiert. Eigentlich ein starkes Argument, wie Dr. Rodrigo Gutiérrez von der juristischen Fakultät der UNAM in Mexiko erläutert: „In internationalen Übereinkünften wie der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation oder den interamerikanischen Menschenrechtsstatuten haben sich die Regierungen verpflichtet, VOR jedem Investitionsprojekt die lokale Bevölkerung zu konsultieren. Die konsultierten Gemeinden müssen frei abstimmen können und sie müssen zuvor umfassend informiert worden sein.“

Dennoch ignoriere oder disqualifiziere der guatemaltekische Staat diese Abstimmungen. Und Besserung sei mit Blick auf die Stichwahlen um die Präsidentschaft Anfang November nicht in Sicht, konstatiert Oscar Conde von Madreselva: „Beide Kandidaten behaupten, dass diese internationalen Investitionen wichtig für Guatemala seien, und dass Guatemala den Bergbau brauche, um das Land aus der Armut zu führen.“ Manuel Baldizón habe schon einmal ein verheerendes Gesetz verantwortet, das über die Köpfe der betroffenen Gemeinden hinweg Landstriche für transnationale Ölkonzerne geöffnet hat. „Wenn er diese Linie auch bezüglich des Bergbaus beibehält, dann Gute Nacht!“ Und Otto Perez Molina sei bekanntermaßen ein Neoliberaler mit militärischer Prägung, der Bergbauprojekte noch autoritärer durchsetzen wird.

Ausverkauf in Mexiko

In Mexiko sprechen Umweltverbände von rund 800 Bergbauprojekten, der Löwenanteil davon befindet sich noch im Stadium der Erkundung. Aber schon jetzt ist der Bergbau der viertgrößte Devisenbringer des Landes, nach dem Erdöl, der Automobilindustrie, den Rücküberweisungen von MigrantInnen und vor dem Tourismus. In den letzten sechs Jahren habe sich der Bergbausektor verdoppelt, erklärt Jesus Ramírez Cuevas, Mitgled der Bewegung Regeneración Nacional, und das begünstige transnationale und in erster Linie kanadische Unternehmen, die so gut wie keine Steuern zahlen müssten. Cuevas folgert: „Wir befinden uns in Mexiko in einer Situation der Rohstoffextraktion, des Ausverkaufes und der Plünderung, wie es sie in Mexiko seit der Revolution nicht mehr gegeben hat. Mittlerweile gibt es Förderlizenzen für ein Gebiet von der doppelten Größe des Bundesstaates Chihuahua (in etwa die Größe Frankreichs), ein Niveau, das in der Geschichte Mexikos seinesgleichen sucht.“ Di
eser Ausverkauf werde bisweilen äußerst rabiat betrieben: Umweltauflagen würden schlichtweg ignoriert, Minen ohne Betriebsgenehmigung betrieben, Gemeinden über Bestechungszahlungen an Einzelpersonen gespalten, widerspenstige Gemeinden vertrieben und Aktivisten bedroht und in Einzelfällen ermordet, berichtet Jesus Ramírez Cuevas.

Auch wenn die Umweltorganisationen, soziale Bewegungen und lokale Gemeinden in Costa Rica erstmals einen Erfolg gegen die verheerenden Bergbauaktivitäten transnationaler Konzerne erzielten, der lateinamerikanische Kontext zeige, dass noch lange kein Grund zur Entwarnung bestehe. So warnt Edgardo Araya, Anwalt der costaricanischen Umweltorganisation UNOVIDA, dass die öffentliche Aufmerksamkeit seit dem wegweisenden Urteil von vor einem Jahr stark abgenommen habe. Und ohne eine starke Proteststimmung könne ein endgültiges Urteil auch zu Gunsten des Bergbaus ausfallen. Außerdem würden im Norden Costa Ricas weitere Bergbauprojekte vorbereitet. Und erst im Juni dieses Jahres gab die Regierung von Laura Chinchilla grünes Licht für die Ausbeutung von Erdöl- und Erdgasvorkommen ganz in der Nähe von Las Crucitas. Das richterliche Aus für Las Crucitas sei, so der Ökologe David Rojas, „höchstens ein Etappensieg gegen eine Industrie, die in Costa Rica nach wie vor enorme P
rofitaussichten hat – und eine Regierung, die in der Welt ein grünes Image verkauft, die aber nach wie vor gewillt ist, umweltzerstörerischen Praktiken transnationaler Rohstoffunternehmen Tür und Tor zu öffnen.“

weitere Beiträge zum Thema Bergbau in Lateinamerika:

Gold und Totschlag in El Salvador

http://www.npla.de/onda/content/972

Nicht alles Gold glänzt – Gegen die verheerenden Folgen des Goldbergbaus regt sich Protest in Mittelamerika

http://www.npla.de/onda/content/719

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