Initiative Neuhland: Suizidprävention in Schulen


Initiative Neuhland:

Warum Suizidprävention


* Suizid und Suizidprävention in der Schule
* Warum Suizidprävention in der Schule?
* Was empfinden Lehrer und Schüler bei suizidalem             Verhalten?
* Suizidpräventive Maßnahmen in der Schule
* Was können Lehrer für sich tun?

Suizid und Suizidprävention in der Schule

Anregungen und Kooperationsangebote für den Umgang mit einem Tabuthema von Margarete Herrmann, Sigrid Meurer, Michael Witte ( Psychologinnen und Geschäftsführer von neuhland )
- Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des RAABE Fachverlages für Bildungsmanagement, Berlin -

Zum Leben und der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gehören Krisen. Die meisten jungen Menschen werden aus diesen Krisen, die in der Zeit der Adoleszenz am häufigsten sind, gestärkt hervorgehen, denn sie haben eine positive Erfahrung gemacht, diese Krisen zu bewältigen. Den Schülern dabei zu helfen, kann eine wichtige Aufgabe der Schule sein. Droht ein Schüler an Krisen zu scheitern und findet eventuell keine Unterstützung bei Eltern, Freunden oder anderen Erwachsenen, so kann diese Krise auch in Suizidalität übergehen. Kann die Schule, die Lehrerin oder der Lehrer in diesen Krisen noch helfen? Kann die Schule präventiv helfen?


Warum Suizidprävention in der Schule?

Nach unseren Erfahrungen in der Beratungsstelle für selbstmordgefährdete Kinder und Jugendliche neuhland Berlin liegen die Ursachen für die Suizidgefährdung in der Regel nicht im schulischen Bereich. Auch als konkreter Auslöser für einen Suizidversuch werden schulische Probleme eher selten genannt. Schulstress allein als Auslöser für suizidales Verhalten ist keine ausreichende Erklärung.

Aber die Schule nimmt in den Erfahrungsbereichen der Kinder und Jugendlichen einen hohen Stellenwert ein. Suizidgefährdete Kinder und Jugendliche senden ihre Signale häufig im Rahmen des Schulalltags den Mitschülern, Freunden, den Lehrern gegenüber aus ("mir ist sowieso alles egal", "lasst mich doch alle in Ruhe", "mit mir will sowieso keiner", "wenn ich nicht versetzt werde, bringe ich mich um").

Viele Schüler verbringen mehr Zeit mit Lehrern und Mitschülern als mit der Familie. Konfliktsituationen zeigen sich häufig in der Schule. Die Schüler bringen ihre familiären Erfahrungen mit in die Schule, müssen sich trotz vielleicht massiver Probleme zu Hause, z. B. häufiger Streit der Eltern, Trennung, Alkoholismus eines Elternteils, Gewalttätigkeiten, überzogene Leistungserwartungen, den vielfältigen Anforderungen in der Schule stellen. Auch wenn der Auftrag der Schule in erster Linie der der Wissensvermittlung ist, spielt die Schule, insbesondere die Klassengemeinschaft, als soziales Beziehungsfeld eine wichtige Rolle für den einzelnen Schüler.

Schüler reagieren sehr unterschiedlich auf schulisches Versagen. Der eine ist in der Lage, die Frustration mit Hilfe eines ansonsten einigermaßen stabilen Selbstwertgefühls zu bewältigen, während es für den anderen zu einer Bestätigung seiner ohnehin bestehenden Versagensgefühle führt. Wer sich mit Versagensängsten, Selbstzweifeln quält, in der Familie wenig positive Bestätigung erfährt und mit Repressionen rechnen muss, für den kann schulisches Versagen eine zusätzliche Bestätigung seines Gefühls von Wertlosigkeit bedeuten.

Suizidales Verhalten drückt in der Regel ein vielschichtiges Problem aus und entsteht innerhalb einer längeren Geschichte in der Familiendynamik. Obwohl also in den wenigsten Fällen in der Institution Schule die alleinige Ursache für die Suizidgefährdung eines Schülers zu suchen ist, bildet sie doch häufig einen mitverursachenden Faktor oder kann zum Auslöser für die suizidale Krise werden. Die Schule trägt also eine Mitverantwortung.


Was empfinden Lehrer und Schüler bei suizidalem Verhalten?

Natürlich weckt das Thema Suizidalität, das ja immer noch ein Tabuthema ist, bei Lehrern und Schülern zahlreiche Emotionen. Lehrern, die mit dem suizidalen Verhalten eines Schülers (oder mehrerer Schüler) konfrontiert sind, drängen sich häufig vielschichtige Fragen auf:

Darf ich den Schüler direkt ansprechen, auch wenn er noch keine konkreten Suizidgedanken geäußert hat? Bringe ich ihn durch meine Fragen erst auf den Gedanken, einen Selbstmordversuch zu unternehmen, und bin ich dann vielleicht verantwortlich?

Darf ich solche persönlichen Themen überhaupt ansprechen, ohne vorher die Eltern einzubeziehen? Wenn der Schüler sich mir anvertraut, muss ich die ganze Verantwortung übernehmen. Kann ich das überhaupt leisten? Muss ich solche Äußerungen überhaupt ernst nehmen, oder will er sich nur wichtig machen und mich unter Druck setzen? Ist es besser, die Andeutungen zu ignorieren?

Auch auf die Mitschüler wirken mehr oder weniger direkte Äußerungen von Suizidgedanken sehr verunsichernd. Viele fühlen sich durch ein Versprechen an den Freund, die Freundin zur Verschwiegenheit verpflichtet, fühlen sich aber andererseits hilflos und überfordert.


Suizidpräventive Maßnahmen in der Schule

Lehrer sind wichtige Multiplikatoren, sie werden mit vielfältigen Verhaltensweisen ihrer Schüler konfrontiert, werden von den Schülern angesprochen, müssen reagieren. Es wäre eine Überforderung, von den Lehrern zu erwarten, therapeutische Funktionen zu übernehmen. Sie können die Probleme der suizidgefährdeten Kinder und Jugendlichen nicht lösen, aber oftmals können sie Entlastungen schaffen (zuhören) und Hilfsmaßnahmen in die Wege leiten.

Es geht darum, die Probleme der Schüler wahrzunehmen, die soziale Kompetenz der Schüler zu stärken. Es ist weder verantwortungsvoll, die Probleme der Schüler erst gar nicht wahrzunehmen, noch sich für alles alleine verantwortlich zu fühlen. Im Rahmen des Schulunterrichts sollte Raum und Zeit zur Verfügung stehen, um über Selbstmordgedanken sprechen zu können (die meisten Jugendlichen haben in Konfliktsituationen irgendwann einmal den Gedanken, es könnte auch eine Lösung sein, das Leben zu beenden).

Wichtige Bestandteile der Suizidprophylaxe sind:

Raum zu schaffen, über solche Gedanken sprechen zu können,
ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass Suizidgedanken nicht Verrückt- oder Kranksein bedeutet, sondern Ausdruck von schwerwiegenden Konflikten und Beziehungsproblemen sind,
die Möglichkeit zu schaffen, über Probleme und mögliche Lösungsstrategien zu sprechen,
das Thema Suizidalität zu enttabuisieren.
Eine der wichtigsten Interventionen bei Suizidgefährdung ist die Kommunikation, das "In-Beziehung-Gehen".


Was können Lehrer für sich tun?

Hilfreich für Lehrer könnten neben thematisch weitreichenderen intensiven Fortbildungen zum Thema Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen auch kleinere Arbeitsgruppen im Sinne von "Balint-Gruppen" sein. In solchen Gruppen kann es um die Gefühle von Hilflosigkeit, Ohnmacht, Ärger und Wut im täglichen Schulalltag gehen. Auch eigene Erfahrungen mit Krisen können und sollten mit einfließen.

Für viele ist der Faktor Zeit Grund genug, sich mit diesem Thema erst gar nicht zu beschäftigen. Verständliche Einwände werden kommen wie: "Wann soll ich das auch noch machen?", "Ich investiere schon mehr Kraft als mir gut tut!", "Ich habe genügend Engagement geleistet, jetzt kann und will ich es nicht mehr!". Das sind sicher auch ernstzunehmende Argumente. Andererseits beschreiben viele Lehrer, dass sie sich ausgebrannt, kraftlos, überfordert, unterbewertet fühlen, sie möchten am liebsten aussteigen.

Um dem tagtäglichen "Ausbrennen" entgegenzuwirken, können solche kollegialen Gruppen sehr hilfreich sein, neue Kraft geben, dazu verhelfen, mit den eigenen Kräften hauszuhalten und sich trotzdem zu engagieren. Sicher ist es nicht einfach, andere Kollegen zu gewinnen, es wird sich viel Widerstand und möglicherweise auch Zynismus regen. Hilfreich kann es sein, entsprechende Fachdienste zu Konferenzen einzuladen (zu den Themen Drogen, Gewalt, Suizidalität, sexueller Missbrauch), um auch bei den Kollegen ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass diese Themen den Schulalltag berühren und in der Schule aufgegriffen werden müssen.

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