UN-Konferenz fordert mehr Beteiligung der Zivilgesellschaft



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UN-Konferenz fordert mehr Beteiligung der Zivilgesellschaft


von Luc Guillory
in Auszügen. Den vollständigen Artikel finden Sie in der Magazinausgabe von Share International vom September 2011.

Vom 22. bis 24. Juni 2011 fand im Palais des Nations in Genf das dritte Öffentliche Symposium der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD) statt.
Drei Tage lang diskutierten Bürger, UN-Mitarbeiter und Staatsvertreter darüber, "wie die Wirtschaft und das Finanzwesen in den Dienst der Menschen und des Planeten gestellt werden können".
Für Share International war der Partage-International-Mitarbeiter Luc Guillory auf dem Symposium.

In seiner Einführungsrede hob UNCTAD-Generalsekretär Dr. Supachai Panitchpakdi hervor, dass für die internationale Zusammenarbeit neue Strukturen notwendig seien. "Wir brauchen einen ganzheitlichen Ansatz", sagte er, weil "Entwicklung nachhaltig und inklusiv sein muss; das muss auf der Agenda ganz oben stehen". Die Menschheit sei zur Zeit auf dem falschen Weg, da die globalen Probleme nicht gelöst werden und die Lage der Welt sich verschlimmere.

Die Statistiken zeigten zwar ein Wachstum seit dem Ende der Finanzkrise von 2008, aber das gelte hauptsächlich für Asien und Ostasien. Während sich in keinem Land ein Trend zur Erholung abzeichne, so Panitchpakdi, sei das Vermögen der Banken seither um neun Prozent gestiegen. Bezeichnend hierfür sei auch, dass die Boni auf den höheren Etagen wieder auf einem sehr hohen Niveau angelangt seien. "Es gibt unter den Banken eine Verschwörung", kommentierte der UNCTAD-Generalsekretär die entschieden ablehnende Haltung der Banken gegenüber einer seriösen Kontrolle und Regelung ihrer Geschäfte.
Die Staatsschulden seien auf ein "mehr als exorbitantes" Maß angestiegen, und eine Umstrukturierung der Schulden sei absolut notwendig, allerdings wisse niemand, wie.
Die Diskussionsteilnehmer waren sich darin einig, dass der Dollar aufgrund der unhaltbaren US-Staatsverschuldung in Höhe von 14 Billionen Dollar Jahr für Jahr an Wert verliert und dass es keine ernsthaften Bemühungen gebe, dieses Problem in Angriff zu nehmen. Dies sei sehr beunruhigend, da gerechte Einkommensverteilung, Abbau der extremen Armut, Schaffung von Arbeitsplätzen, Gleichberechtigung der Frauen, soziale Sicherheit und Kohlenstoffreduktion entscheidend für die Entwicklung seien.

Die deutsche Parlamentsabgeordnete und ehemalige Ministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, zeigte sich bestürzt darüber, dass die Empfehlungen der Stiglitz-Kommission bislang nicht aufgegriffen worden seien. Insbesondere wies sie darauf hin, dass die G-20 hinsichtlich einer Regulierung des internationalen Finanzsystems keinerlei Fortschritte machten, während jüngste Zahlen zeigten, dass 11,4 Billionen Dollar zur Rettung des internationalen Bankensystems nach dem Crash von 2008 ausgegeben worden sind, wie Dr. Supachai bestätigte. Wer bezahlt nun die Schäden?, fragte Wieczorek-Zeul.

Nahezu überall auf der Welt würden sparpolitische Maßnahmen ergriffen, und es sei daher ziemlich offensichtlich, dass die Banken den einfachen Bürger "auserwählt" hätten, für ihren Wahnsinn die Zeche zu zahlen...

Die Diskussionsteilnehmer stimmten darin überein, dass eine fehlende Finanzmarktregulierung und der blinde Glauben an die Markteffizienz die Ursachen der Krise seien. Dr. Supachai wünschte sich mehr Zusammenarbeit zwischen den G-20 und den Vereinten Nationen; für eine effektivere internationale politische Koordination müsse das UN-System gestärkt werden. Angesichts der neuen Gefahren am Finanzhorizont sei ein unilaterales Verhalten von Staaten nicht hinnehmbar.

Im Grunde, erklärte der Gründer und Geschäftsführer des
Hongkonger Instituts für Zukunftsforschung Global Institute for Tomorrow, Chandran Nair, sei "ein Weniger der Kern des Nachhaltigkeitsideals". Wir verleugneten die Tatsache, dass unsere Welt begrenzt sei und lehnten Beschränkungen ab, doch die Ressourcen seien nun einmal begrenzt. Eine neue, "grüne" Wirtschaft müsse anders aussehen als die bisherige und sich auf die Menschenrechte ("ein eigenes Auto ist kein Menschenrecht", rief er dabei ins Publikum), qualifizierte Arbeitsplätze und Mitbestimmung gründen.

Die alles beherrschenden Marktkräfte seien für einen Wandel kein geeignetes Werkzeug - und die mit diesen verbundenen Institutionen sicher genauso wenig. Laut dem UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) haben 1994 zwanzig Prozent der Reichsten 80 Prozent des Weltvermögens besessen und kontrolliert, 2009 war letztere Zahl auf 91,5 Prozent angestiegen.

Der Direktor des Instituts für Politische Alternativen für den ConoSur [für das südliche Lateinamerika] in Brasilien, Marcos Arruda, sagte, dass der Norden sein hohes Konsumniveau senken müsse: "20 Prozent der Weltbevölkerung verbrauchen 80 Prozent der Weltressourcen. Dreh- und Angelpunkt der Entwicklung dürfen nicht mehr Wirtschaft und Staat sein, das muss die Zivilgesellschaft sein. Die Grundlage einer nachhaltigen Gesellschaft kann nicht Wettbewerb, sondern nur Solidarität und Zusammenarbeit sein. Statt des bisher alleingültigen Bruttoinlandsprodukts brauchen wir Indizes, die auch soziale und ökologische Faktoren erfassen. Wir müssen Mutter Erde und die Souveränität der Völker und Gemeinschaften achten und Gesellschaften schaffen, in denen die Entscheidungen von unten nach oben getroffen werden und nicht von der obersten Führungselite der Bevölkerung diktiert werden. Worum es geht, ist die Einheit in der Vielfalt, und das nicht auf Kosten der Vielfalt."

Ein Oxfam-Mitarbeiter bestätigte, dass wir die Ressourcen anderthalb mal schneller verbrauchen, als die Erde sie hervorbringen kann. Wir bräuchten daher die Vision einer gesellschaftlichen Organisation, die den "Fetisch Wachstum" hinter sich gelassen hat. Wir müssten die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt neu überdenken und dabei beachten, dass der Zweck von wirtschaftlicher Entwicklung darin liegt, gute Lebensqualität und Bildung für alle und ein harmonisches Zusammenleben mit der Natur zu erreichen. Einige Wirtschaftssektoren wie Wasser, Boden und Wald sollten globales Gemeingut sein und den Marktkräften entzogen werden. Endgültiges Ziel sei ein "glückliches Leben". Arruda fügte hinzu: "Eine Gesellschaft, deren Grundlage Wettbewerb und Krieg ist, ist nicht überlebensfähig. Wir müssen unser Weltbild ändern und uns als liebende Wesen verstehen. Für eine radikale Umstellung der Weltwirtschaft brauchen wir einen Bewusstseinswandel."

Zum Abschluss des Symposiums gab der stellvertretende UNCTAD-Generalsekretär Petko Draganov zu bedenken, dass wir durch die Kurzsichtigkeit der Politik "von einer Krise in die nächste stolpern". Und UNCTAD-Präsident Luis Manuel Piantini Munnigh sagte, dass solch wichtige Veranstaltungen und Konferenzen wie Rio+20 im Juni 2012 und das UNCTAD-XIII-Treffen in Doha in Qatar im April 2012 Meilensteine auf dem Weg zu einem dringend erforderlichen Wandel sein werden, und forderte die Zivilgesellschaft auf, sich daran zu beteiligen und sich Gehör zu verschaffen.

Quelle. www.shareinternational-de.org