Neues Menschentum

Neues Menschentum

 

(Aus: die geheimen Herrenworte des Thomas-Evangeliums, S. 142ff, erläutert von K.O. Schmidt/ISBN 3-7699-0305-6)

"Spruch 63:

Jesus sprach: Ein reicher Mann hatte viele Güter und dachte: Ich werde meine Güter benutzen, um zu säen, zu ernten, zu pflanzen und meine Scheune mit Frucht zu füllen, auf dass ich an nichts Mangel leide. Das war es, was er in seinem Herzen dachte. Und in jener Nacht starb er. Wer Ohren hat, höre!

Seit Jahrtausenden haben die Menschen versucht, die Welt durch äußere Reformen, soziale Neuordnungen zu ändern, ohne dass dies gelang.

Christus lehrt den Weg der inneren Reform: die Selbsterneuerung, mit deren Vollzug das äußere Leben sich mit vollendet.

Die Worte des Thomas-Evangeliums sind wie die der Bergpredigt Anleitungen zu solcher Erneuerung von innen her. Sie geißeln das gierhafte Trachten und Treiben der Unerwachten, die die ganze Erdenschulungszeit damit verbringen, äußerlich zuzunehmen, Vergängliches anzuhäufen, um am Ende mit leeren Händen und Herzen davonzugehen...

Sie haben den Sinn ihrer irdischen Inkarnation verkannt und verfehlt und das Wichtigste versäumt: ihr inneres Wachstum.

Der reiche Mann, der sich umsonst mühte, ist der unerwachte Mensch unserer Zeit, der noch nicht vom Geist des kosmischen Zeitalters angehaucht, erfaßt und verwandelt ist.

Er erkennt nicht, wie der Erwachte, das Doppelgesicht dieser Wendezeit:

Die alte Zeit ist eine Zeit unerschöpflicher Hast- und Erfolgsjagd, die neue eine Zeit gelassenen Schöpfertums. Das Wollen der einen ist sinnenwärts, stoffwärts gerichtet, das der anderen seelen- und geistwärts. Das eine ist statisch, scheinwelt-verhaftet, das andere dynamisch, der Wahrheit entsprungen, der Gottwelt zugewandt.

Das alte Weltbild ist das des Sinnenmenschen: es gründet in dem, was er zu wissen wähnt. Das neue Weltbild ist das des Geistmenschen: es wurzelt in dem, was der innere Mensch schaut und begreift.Die Merkmale des alten sind: das Sondersein, das Grenzenziehen, die Enge und Gehemmtheit, das Halten- und Behaltenwollen, das Beharren in der Unvollkommenheit. Wahrzeichen des neuen sind: das sich Weiten zum Einssein mit dem Ganzen, die freie Entfaltung der schöpferischen Innenkräfte, das Gebenwollen, das lebendige Fortschreiten von Vollkommenheit zu größerer Vollendung...

Das Denken des alten Menschen ist beherrscht vom Trieb lebensfremder Ichsucht, des Habenwollens, Nehmenwollens, Raubens. Das des neuen Menschen gründet auf dem Willen lebensnaher Dusucht, dem Gemeinschaftssinn, dem Seinwollen und sich Hingebenwollen.

Im alten Menschen herrscht der Besitzgedanke, der Wille zur Macht, das Ja zur Gewalt. Er wähnt, Glück hänge von Geld, Einfluß und äußeren Umständen ab. Der neue Mensch kennt keine Besitzbesessenheit, keinen Machtwahn, keine Gewalt. Er erkennt allen Besitz als Lehen und Mittel, sein und seiner Brüder Leben licht und leicht zu machen. Er wirkt nicht um Geldes, sondern um des Werkes willen.

Der alte Mensch wähnt, Besitz berechtige. Der neue weiß: Besitz verpflichtet. Er will zum Segen für alle werden. Wer, so denkend, vom Haften frei ward, ist wirklich aller Güter Eigner, Herr der Fülle und Meister seines Lebens.

So ist das neue Weltbild um eine Oktave höher als das Weltbild von gestern und heute. Das neue Leben ist wesentlicher und dynamischer, bewußter und allnäher als das Scheinleben der Jetztzeit. Das neue Denken ist Lichtdenken, das neue Wollen Güte, das neue Tun sichtbar werdende Liebe.

Um eine Dimension reicher ist das neue Leben: es kreist um innere Werte. Was dem alten Menschen als Höchstes gilt, ist dem neuen ein Nichts.; was dem alten von geringem Wert erscheint, weil nicht münzbar, gilt dem neuen als Grundlage, Wesen und Inhalt seines Lebens.

 

Im Mittelpunkt des neuen Lebens steht das Wunder der Christusgeburt im Menschen, die Sichtbarwerdung des Reiches Gottes. Dieser neue Mensch, der Geistmensch, wird der Herr der Erde sein."